Reducing the Obvious ist die Bachelor-Thesis von Tobias Gebert. Diese befasst sich mit den Ordnungsprinzipien des Gestalters, die sich in der heutigen Zeit am ehesten in der Reduktion äußern. Reduktive Ansätze sind für den Gestalter essenziell, da sie seinen Raum effizient unterteilen und ordnen. Doch entledigt sich der Gestalter durch diese Ansätze nicht dem Kontext der Dinge? Ist Reduktion in der heutigen komplexen Welt überhaupt eine adäquate Herangehensweise?
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Struktur
und Geometrie
Wenn der Mensch seine Umgebung aber auch seine Kommunikationsmittel gestaltet, geht er nach dem immer gleichen Prinzip vor: Abstraktion durch Separation.
Es scheint immer wiederkehrende Formen in der Gestaltung zu geben, die dem Gestalter größtmöglichen Freiraum zusprechen. Eine Form ist das Rechteck. Ob im kleinsten Grundstück, auf den größten Äckern oder im Gestaltungsraster: das Viereck scheint für den Menschen eine ruheschöpfende, ordnende Grundform darzustellen.
Dabei ist es obendrein beliebig befüll- und kombinierbar.
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Emergenz und
Selbstorganisation
In der Umwelt gibt es Prozesse der Selbstorganisation beispielsweise bei komplexen Wolkensystemen oder bei der Ausbildung von Rippeln im Watt. Dabei treffen verschiedene Inertialsysteme mit unterschiedlichen Eigenschaften aufeinander und beeinflußen sich gegenseitig. Dieses Hervortreten von neuen Eigenschaften durch Kombination wird mit dem sperrigen Begriff Emergenz beschrieben. Dieser bezeichnet das zeitlich unvorhersehbare Auftreten von Eigenschaften, was ein System deshalb unberechenbar macht. Doch nicht nur in der Natur lassen sich diese Prozesse erkennen, auch wenn die ordnungsstiftende Instanz des menschlichen Gestalters fehlt, tritt an seine Stelle die Selbstorganisation des simplen Bedarfs – wie man hier an dieser Favela sieht.
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Eigendynamik
und Unterordnung
Wenn sich Menschenmassen fortbewegen sind sie in ihrem grundlegenden Verhalten einem Schwarm von Vögeln oder gar einem Partikelsystem innerhalb eines Fluids ziemlich ähnlich. Sie unterliegen dabei den gleichen Parametern wie ein Vogel im Schwarm. Dabei gibt es drei Werte mit denen sich die Schwarmdynamik beschreiben lässt: zum einen der Drang sich vom Rand zur Mitte zu bewegen um Schutz zu finden, zum anderen der Drang seinem nächsten Nachbarn zu folgen und drittens einen gewissen Abstand zum Nachbarn nicht zu unterschreiten. Der Mensch befolgt intuitiv alle drei Parameter um sich in der Gruppe effizient zu bewegen. In Paniksituationen tritt diese Eigenschaft besonders hervor. Übrigens auch ein Prozess der sich in der Kommunikation immer wiederfinden lässt: eine Person gibt die Richtung vor und die anderen ordnen sich ihr unter.
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Raster und
Bausteine
Schließlich muss der Mensch wehmutig anerkennen, dass selbst der reduktive Ansatz, den er in seiner Gestaltung gesucht hat, sich auch in der Natur wiederfinden lässt. Die Anordnung von Kristallen im Punktgitter funktioniert nach ähnlichen Prinzipien und bildet dabei gleiche Strukturen aus. Die modularen Bausteine, die der Mensch mit seinen neutralen Gegenständen erzeugt hat, finden sich auf molekularer Ebene ebenfalls wieder. Die Ähnlichkeit der Selbstorganisation kann und muss schließlich der Ausgangspunkt für eine neue Gestaltungsweise sein, in der man durch Reduktion Diversifizierung erzeugt.
Und falls nicht, welche Ordnungsprinzipien in der Umgebung könnten für den Gestalter noch interessant sein? Und gibt es unbewusste Parallelen in den verschiedenen Gestaltungen? Diesen Fragen geht Reducing the Obvious nach. Der detailliertere Blick auf die Ordnungs-
prinzipien der Umgebung führte die Recherche dabei auf ungewohntes Terrain, wie etwa das der Chemie, Physik, Biologie und schließlich der Soziologie. Nachfolgend ein erster Einblick in die verschiedenen Thematiken:
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Reduktion
und Modularität
Wenn wir also die Welt um uns herum auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den kleinsten modularen Baustein reduzieren, was bleibt dann noch?
Neben der modularen Gestaltung bleibt dann nur noch die Funktion als ordnungsstiftende Instanz.
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Phänomene
und Imitation
Die Strukturierungsprozesse in unserer Umgebung bilden für uns faszinierende Formen aus, die uns seit jeher für Inspiration in unserer Gestaltung dienen. Dabei muss es gar nicht unbedingt die offensichtliche Struktur an sich sein, die unser Interesse weckt. So kann auch die Imitation von Gestaltungstaktiken für uns Potenzial bieten. Wie nebenstehend bei der Dazzle-Schiffsbemalung zu sehen imitiert der Mensch die Färbung von Tierfellen um Richtung und Größe des Schiffes schwer erkennbar zu machen. Dabei ist es gar nicht die offensichtliche Gestaltung an sich, die imitiert wird, sondern die Taktik an sich.
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Organismus
und Population
Die Struktur von großen Ansammlungen von Menschen gleicht in ihrer Selbstorganisation der Versorgungswege den Strukturen von primitiven Lebensformen. Die Vernetzung durch Kapillare wird durch die kürzesten, effizientesten Wege gestaltet.
Mit ein Grund dafür, dass sich Städte während ihres Wachstums in ihrer Struktur immer weiter der vernetzten Welt des Mikrokosmos annähern. Die Vernetzung untereinander ist dabei ein Grundstein für die Kommunikationsstruktur wie wir sie heute kennen. Die vernetzte Welt lässt sich somit als direktes Spiegelbild der Population sehen, die sich im Grunde nicht wesentlich von den primitiven Strukturen eines Bakteriums unterscheidet.
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Gestaltung
und Intervention
Die Gestaltung die die Natur auf der kleinsten Ebene hervorbringt ist schon so einzigartig und ausgeklügelt, dass sie durch ihre allgegenwärtige Präsenz der unzähligen Kleinstlebewesen in der Lage ist unsere gestaltete Welt aus den Fugen geraten zu lassen. Dabei ist es unerheblich ab wann diese Intervention stattfindet, sondern nur die Frage wie lang sich die erschaffenen Bauwerke dagegen wehren können. Fehlt die gestalterische Instanz, die die erschaffenen Gebilde in Schuß hält, schlägt die Natur mit voller Wucht zurück. Dabei ist es gar nicht unbedingt von Vorteil die natürliche Intervention auszuschließen, denn sie sorgt mit ihrer Vielfalt an Formen für interessante Synergien.
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Bewusstsein
und Nachahmung
Das Bewusstsein über die vielen Parallelitäten der menschlichen und natürlichen Gestaltung hat sich erst langsam durchgesetzt. Zwar haben diese Ansätze schon viele Strömungen vorher durchgedacht, auf struktureller, prozessualer Ebene aber blieb diese Nachahmung lange aus. Die ersten die sich an die bewusste Imitation wagten, waren die Architekten. Die Kommunikationsgestaltung aber hat sich diesen Einflüßen bisher verwehrt, obwohl auch hier interessante Prozesse in Frage kämen. Die Abkehr vom starren Raster könnte hierbei ein erster Schritt sein.
Die kleine Edition von Reducing the Obvious kann hier bezogen werden. Sie ist 540 Seiten stark, beinhaltet 330 Abbildungen und ist limitiert auf 40 Stück. Es sind aktuell noch 20 verfügbar.
Versandt wird die Publikation in einer handbedruckten Versandtasche, in der sie lichtdicht verpackt ist. Wie auch die große Edition, ist die kleine mit einer lichtaktiven Emulsion beschichtet, die sich vor Ort binnen weniger Stunden blau färbt.
An dieser Stelle muss betont werden, dass die genannten 25€ lediglich die Produktionskosten decken, es besteht ausdrücklich keine Gewinnorientierung. Der Betrag ist somit eine Spende.